Verrecker auf der Strecke

Was waren das denn heute Abend für Verrecker auf der Strecke? In Hanau angekommen, sagt uns der Zugbegleiter, dass sich die Weiterfahrt wahrscheinlich etwas verzögert, da zwischen Hanau und Gelnhausen ein ICE liegengebliebenen ist. In Gelnhausen freuen wir uns noch, dass wir relativ schnell dran vorbeigekommen sind, dann kommt die Durchsage: „Wegen eines weiteren liegengebliebenen Zuges zwischen Haitz-Höchst und Wirtheim wird sich die Weiterfahrt abermals verzögern.“ Aber auch das Hindernis ist schnell umschifft.

Wir kommen zwar mit 15 Minuten Verspätung an – 10 davon hatte der Zug allerdings schon bei der Abfahrt in Frankfurt Süd. Einen Grund dafür gab es keinen. Aber vielleicht lag zwischen dem Hauptbahnhof und Süd ja auch schon ein Zug auf der Strecke rum.

Seltsame Dispositionsentscheidung

Neulich hatten wir Fernreisendenbesuch in der Kinzigtalbahn. Der Regionalexpress war 40 Minuten verspätet, „wegen einer technischen Störung an einem anderen Zug,“ sagte das Spruchband an der Anzeigentafel. Also sind wir alle in die zuerst eintreffende Regionalbahn gestiegen.

Kurz vor Gelnhausen kam dann die – eigentlich total hilfreiche – Durchsage, dass der RE direkt hinter uns fährt und wir in Gelnhausen am gleichen Gleis umsteigen können, da er uns danach überholen wird. Super, da hat mal jemand an den Service für die Fahrgäste gedacht – auch wenn die Empfehlung nicht bis zum Ende durchdacht war.

Eine kleine Überfüllungs-Warnung wäre nett gewesen, denn als wir in den RE steigen wollen, stolpern wir schon im Eingangsbereich über jede Menge Koffer und Taschen – und stehende Menschen. Neben den üblichen Pendlern, die den Zug ab Gelnhausen schon selbst vollkriegen, wimmelt es hier von Fernreisenden.

Die sind total genervt und aufgeregt, viele von ihnen sind auf dem Weg zum Flughafen. Ein Geschäftsreisender ist gerade am Telefon und bucht um. Ein älterer Herr läuft auf einem kleinen freien Stück Gang hin und her wie ein eingesperrter Tiger. Bei jedem Halt wird er nervöser. „Am liebsten würde ich den Zug anschieben. Warum halten wir jetzt so lange hier? Wir müssen unbedingt diese S-Bahn um kurz vor 10 Uhr bekommen, sonst ist der Flieger weg. Da fährt man extra Zug, um nicht im Stau zu stehen …“

Der Bahnhof in Flieden

Natürlich konnte keiner mit dem liegengebliebenen Güterzug zwischen Flieden und Schlüchtern rechnen. Der ICE (mit Halt Frankfurt Flughafen Fernbahnhof) direkt dahinter musste erst wieder ein Stück zurücksetzen, und hat dann seine Passagiere in Flieden am Bahnhof ausgesetzt. Da standen sie wohl eine knappe Stunde, bis der RE 50 sie von dort aufgegabelt hat. Während die Pendler am Ende mit 53 Minuten Verspätung in Frankfurt ankamen, hatten die ICEler mittlerweile über 2 Stunden – und mussten dann ja auch noch vom Hauptbahnhof an den Flughafen gelangen. Eine etwas seltsam anmutende Dispositionsentscheidung, denn wo ein RE und ein RB langfahren können, hätte auch ein ICE seinen Weg, mit viel weniger Unterbrechungen und damit wohl auch viel schneller, gefunden.

Bild: Bahnhof Flieden von Johannes Müller (CC BY-SA 3.0)

Abgekapselt von der Außenwelt

Neulich am Fahrkartenschalter.

Vor mir steht ein junger Mann mit einem Stöpsel und lauter Musik im Ohr. Während des Gesprächs mit der Frau hinter der Scheibe muss er immer zweimal nachfragen, weil er sie nicht richtig versteht – was ihn aber nicht dazu veranlasst, den zweiten Stöpsel auch noch zu ziehen. Die Frau hat, wie immer, eine Engelsgeduld. Der Mann besorgt sich eine (kostenlose) Kundenkarte für Auszubildende und ist schon fast auf dem Sprung, bevor ihn die Frau fragt, ob er nicht noch eine Fahrkarte braucht.

„Ach so, ja, nach Biebergemünd über Gelnhausen. Monatskarte.“

„Das macht 104,40€.“

Der junge Mann legt vier Euro vierzig (!) hin.

Einhundert vier, vierzig.“

„Was?“

„Einhundert vier Euro und vierzig Cent.“

„Hab ich heute nicht dabei. Komme wieder.“

Beim Verlassen den Schalters rempelt er mich noch an, weil er auf das Display seines Handys stiert.

„Außenwelt. Nicht ganz schlecht, wenn man die wahrnehmen kann.“

„Was?“

Das Aufwärmen von/an alten Störungen

Jetzt wo die Tage kürzer werden und wir offiziell auf Winterzeit umgestiegen sind, gibt es für alle Sommerfreunde unter meinen Lesern eine kleine (herz)erwärmende Pendler-Geschichte. Stellt Euch vor, es ist heiß da draußen, so wie am 17. Juni 2013.

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Dante und Vergil im neunten Höllenkreis (Bild von Gustave Doré, 1861)

Der RE nach Fulda fährt an diesem Abend auf Gleis 12 statt auf 6 ein. Der Einstieg fühlt sich an, wie der Abstieg in Dantes Inferno. Ein kleiner Spaziergang durch die anliegenden Waggons bestätigt den ersten Eindruck: dieser Zug besitzt keine funktionierende Klimaanlage – und natürlich auch keine Fenster zum Öffnen. Dafür ist alle sehr sauber und die Polster sind noch ganz fluffig. Es riecht auch wie in einem neuen Auto. Aber das scheint die Klimaanlage nicht zu interessieren.

„Aufgrund einer technischen Störung verzögert sich unsere Abfahrt um etwa zehn Minuten,“ sagt der Schaffner nach zehn Minuten Verspätung. Unbestimmte Zeit später wird das zu einer „schwerwiegenden Störung am Zug; unbestimmte Zeit Verspätung …“ Heute hat wohl keiner Lust auf einen Notfalleinsatz. Danke dafür!

Wir marschieren zum nächsten Zug in die Richtung, rüber zu Gleis 4. Der fährt mit funktionierende Klimaanlage und ohne Verspätung – bis Gelnhausen. Dann eine leicht panische Stimme aus dem Lautsprecher. „Dies ist der RE nach Fulda. Ich wiederhole, sie befinden sich im RE nach Fulda!“ Wir bleiben noch ein bisschen stehen, bis wir alle verstanden haben, in welchem Zug wir sitzen – und kommen irgendwann glücklich und zufrieden zu Hause an. Und wenn sie nicht an Hitzschlag gestorben sind, dann fahren sie noch heute …

Unterbrochene Kühlkette

Beim Transport von Lebensmitteln wird penibel genau darauf geachtet, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Auch Tiertransporte haben immer Luftzufuhr. Bei der Beförderung von Menschen wird auf sowas leider nicht immer geachtet. Regelmäßig fahre ich in fensterlosen Waggons, in denen die Klimaanlage ausgefallen ist. Im Sommer 2011 ging es dabei bis weit über die Grenzen des Erträglichen hinaus.

Der RE 50 fuhr am Hauptbahnhof Frankfurt ein, die Lok vorne wurde abgekoppelt. Damals wurde dann immer eine Lok auf der anderen Seite, samt fünf bis sechs weiterer Waggons angehängt. Normalerweise innerhalb von fünf bis zehn Minuten nach der Ankunft. An diesem schönen Sommertag, bei 35°C im Schatten, hat es aber ‚etwas‘ länger gedauert, fast eine halbe Stunde. Die Temperatur in den ungekühlten Waggons stieg schnell auf über 50°C an – eigentlich hätte da keiner einsteigen dürfen. Eine Ansage, wie lange die Verzögerung noch dauert, hätte sicher die meisten Leute erst mal wieder auf den vergleichsweise kühlen Bahnsteig getrieben. So aber warteten wir im Brutofen, in der Hoffnung, dass es jeden Augenblick losgeht.

ambulanceAls wir endlich losfuhren, wurde die Klimaanlage der Sache natürlich nicht mehr Herr. Zwischen Langenselbold und Gelnhausen dann die furchtbarste aller Durchsagen: „Wenn sich ein Arzt an Bord befindet, bitte in den letzten Wagen kommen.“ Darauf, ganz klar, Notfalleinsatz am Bahnhof Gelnhausen. Dort kam der erste kühle Luftzug bei mir an – kurz bevor wir all in die RB umgestiegen sind. Die hatte keine Klimaanlage, aber so eine ganz fantastische Erfindung, die sich Fenster nennt.

Gelnhäuser Generationsgespräch

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Ein alter Mann mit Vogelsberger Dialekt und ein junger Mann mit offensichtlichem Migrationshintergrund – beide Kappenträger, der eine mit dem Schirm nach vorne, der andere zur Seite – kommen im Zug nett ins Plaudern. Ich schmunzle über ein typisches: „Früher war alles besser“, vom alten Herren. Dann kommt das Gespräch auf Flüchtlinge. Oh je, denke ich, wie wird das wohl ausgehen?

„Das ist voll krass, voll die Katastrophe“, sagt der junge Mann.

„Ja, ja“, erwidert der Alte.

„Ich hab ja nix gegen die, aber…“ sprudelt es plötzlich aus dem jungen Mann hervor. Ich bin erst mal völlig baff.

„Moment e‘mal, das sind alles ganz arme Leut‘“, sagt der Opa aus dem Vogelsberg und hält dagegen. Mir geht das Herz auf.

Die Diskussion bleibt sachlich, obwohl sich die beiden nicht einig sind. Der alte Mann spielt nicht mal die offensichtliche Karte des Migrationshintergrunds seines Gegenübers aus. Beide steigen in Gelnhausen aus und verabschieden sich höflich voneinander. So kann das also auch laufen, mit der Meinungsäußerung.

Bild: Gelnhäuser Stadtansicht von Wladyslaw Sojka / www.sojka.photo (CC BY-SA 3.0)

 

Mein zweiter Fischer

978_3_936622_78_2…ist eigentlich der erste. Also: Die Farben des Zorns von Matthias Fischer, 2006 zum ersten Mal im Hanauer Verlag M. Naumann erschienen. Diesmal habe ich den Regionalkrimi, der hauptsächlich in Gelnhausen, rund um Wächtersbach und in Fulda spielt, bei einem Besuch in Bad Orb erstanden. Und auch diesmal prangt in meinem Exemplar eine Unterschrift des Autors.

Und jetzt wird auch meine Neugierde auf eine tiefere Charakterisierung der Haupt- und Nebencharaktere befriedigt. Ist ja auch meine eigene Schuld, wenn ich mit den Toten vom Kinzigtal statt mit dem ersten Roman der Reihe anfange. Aber der Titel war einfach zu verlockend, um ihn nicht auf diesem Blog zu rezensieren.

Neben den grauseligen Mordfällen bahnt sich in den Farben die Beziehung zwischen dem Ermittler Dr. Caspari und seiner späteren Lebensgefährtin, der Gelnhäuser Pfarrerin Clara Frank an. Dabei fällt auf, dass die beiden doch sehr ähnliche Charakterzüge haben. Beide sind sehr selbstreflektiert, stark in ihrem Glauben, (kampf-)sportlich und beide scheinen die gleiche Schwäche zu haben: ein Missverständnis, welches mit einer einfachen Nachfrage aus dem Weg geräumt werden könnte, führt jeweils zu einem Eifersuchtsausbruch, der im völligen Rückzug des jeweiligen Charakters endet. Einer der beiden kann ja gerne ‚so blöd‘ sein und nicht gleich nachfragen, um die Situation aufzuklären, aber gleich beide? So passen die beiden wie Topf auf Topf und unterscheiden sich lediglich durch ihre Berufe. An der Aufklärung des Falls arbeiten sowieso beide mit. Bin auf jeden Fall gespannt, ob sich in späteren Bänden unterschiedlichere Charakterzüge herauskristallisieren.

Spaghetti-Held und Selbstgespräche

Letzte Woche im Zug. Eine Frau telefoniert; ich dachte erst mit ihrem Kind, im späteren Gesprächsverlauf stellt sich heraus, dass es ihr Ehemann ist. Warum ich erst dachte, sie spräche mit ihrem Kind? Weil sie ihrem Gesprächspartner genau erklärt hat, wie man Spaghetti Bolognese kocht.

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Unglaublich kompliziert, das Rezept für Spaghetti Bolognese

„Ich komme ein bisschen später, das wird dann alles etwas knapp. Ich glaube du solltest schon mit dem Kochen anfangen.“ Kurzes Schweigen. Dann ganz geduldig: „Also, da nimmst du Zwiebeln, Hackfleisch und Tomatenmark …“ Und dann folgt die genaue Anleitung was zu tun ist (Schälen – Anbraten – Drüberkippen; fast ein besserer Blogtitel als Pendeln – Lesen – Wundern). „Das Würzen übernehme ich dann.“ Die Frau sieht jünger aus als ich.

Welcher Mann mittleren bis jüngeren Jahrgangs gibt sich denn bitte schön heute noch die Blöße nicht kochen, oder zumindest Rezepte lesen, zu können? Und welche Frau lässt ihrem Mann sowas kommentarlos durchgehen? Ich dachte wir fahren hier durchs Kinzig-, nicht durchs Neandertal.

Kurz nach dem Telefonat halten wir in Gelnhausen. Ein Mann steigt zu. Der sieht völlig normal aus, stellt vor sich eine Flasche Cola ab. Eine Bierdose zum Feierabend hätte mehr erklärt. Der Zug fährt nicht sofort los.

Darauf fängt der Mann lauthals an zu Schimpfen: „Worauf warten wir denn? Auf besseres Wetter? Das haben wir doch schon.“ Grummel, grummel. „Ich hab auch was Besseres zu tun, als hier im Zug zu sitzen!“ Er telefoniert nicht. Spricht auch nicht, sympathieheischend, die Frau mit dem Spaghetti-Helden zu Hause an, die auf der anderen Seite des Gangs sitzt. Ich sitze gerade so in Hörweite, sonst ist da niemand.

Der Zug fährt los. Die Frau sucht ob des seltsamen Selbstgesprächlers das Weite, obwohl es bis zur nächsten Station noch zwölf Minuten dauert. Ein klasse Tag für Beobachtungen in freier WildBahn.

Bild: Spaghetti Bolognese von Eric Hossinger (CC BY 2.0)

Das beste Navi im Kinzigtal

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Gelnhausen aus der Luft

Aus ganz besonderem Anlass gibt es heute eine ganz besondere Pendelgeschichte.

Irgendwann Ende der Neunziger, also vor der Zeit der elektronischen Navigationsgeräte, da machte ich mich mit meinem guten Freund Jörg auf den Weg zur Herbstfreizeit der NAJU Hessen in Gelnhausen. Mit der Einladung zu solchen Veranstaltungen bekam man immer eine prima Anfahrtsbeschreibung geliefert, die normalerweise sogar gut an selbst abgelegene Orte führte. Wir waren auf der Suche nach der Schule, die für das Wochenende unsere Unterkunft sein würde.

Jörg drückte mir nach der Abfahrt von der Autobahn die Anfahrtsbeschreibung in die Hand. „Guck mal, wo wir jetzt lang müssen.“ Alles klar. Karten lesen ist meine leichteste Übung, außerdem habe ich einen sehr guten Orientierungssinn. „Also, demnächst müssten wir an einen Bahnübergang kommen.“ Und schwupps war der auch schon da, obwohl wir laut der Karte auf dem Zettel eigentlich noch ein bisschen weiter hätten fahren müssen. Seltsam, aber egal, wir haben ihn ja gefunden. „Dann muss es demnächst in einer Kurve nach links den Berg hochgehen.“ Wo der Bahnübergang zu schnell war, ließ die Kurve irgendwie zu lange auf sich warten. Ich begann erste Zweifel zu äußern, da tauchte die Kurve doch noch auf. Also gut. „Nach der Beschreibung führt die Straße eigentlich am Waldrand entlang“, murmelte ich verwirrt vor mich hin. Wir waren mitten im Wohngebiet. „Und da vorne müsste die Schule dann gleich sein.“ War sie aber nicht. Irgendwas ist hier faul. Jörg hielt kurz an und schaute auf die Karte. Bahnübergang – check, Linkskurve – check, aber die Schule hätte schon längst hier links auftauchen müssen. Wir fahren einfach noch ein Stück weiter und fragen nach, beschlossen wir. Doch bevor wir den Plan umsetzten konnten, tauchte die Schule links von uns auf.

Beim Aussteigen waren Jörg und ich immer noch etwas fassungslos ob der inakkuraten Karte und Anfahrtsbeschreibung. Bis Jörg den Zettel umdrehte und in lautes Lachen ausbrach. Die Wegbeschreibung war die der Herbstfreizeit vom Jahr zuvor, an einem völlig anderen Ort. Egal. Offensichtlich kommt man mit dem richtigen Navigator überall hin. Auch wenn man ab und zu ein Schlagloch in Malta trifft.

Jörg, ich glaube Du hast nun die richtige Navigatorin auch außerhalb des Kinzigtals gefunden. Ich wünsche Euch alles Gute auf Eurem gemeinsamen Weg. Vergesst einfach alle Beipackzettel und geht auf Eure eigene Reise. Viel Spaß dabei – und lasst es heute krachen!

Bild: Luftbild von Gelnhausen von Dr. Bernd Gross (CC BY-SA 3.0)