Letzte Woche im Zug. Eine Frau telefoniert; ich dachte erst mit ihrem Kind, im späteren Gesprächsverlauf stellt sich heraus, dass es ihr Ehemann ist. Warum ich erst dachte, sie spräche mit ihrem Kind? Weil sie ihrem Gesprächspartner genau erklärt hat, wie man Spaghetti Bolognese kocht.
Unglaublich kompliziert, das Rezept für Spaghetti Bolognese
„Ich komme ein bisschen später, das wird dann alles etwas knapp. Ich glaube du solltest schon mit dem Kochen anfangen.“ Kurzes Schweigen. Dann ganz geduldig: „Also, da nimmst du Zwiebeln, Hackfleisch und Tomatenmark …“ Und dann folgt die genaue Anleitung was zu tun ist (Schälen – Anbraten – Drüberkippen; fast ein besserer Blogtitel als Pendeln – Lesen – Wundern). „Das Würzen übernehme ich dann.“ Die Frau sieht jünger aus als ich.
Welcher Mann mittleren bis jüngeren Jahrgangs gibt sich denn bitte schön heute noch die Blöße nicht kochen, oder zumindest Rezepte lesen, zu können? Und welche Frau lässt ihrem Mann sowas kommentarlos durchgehen? Ich dachte wir fahren hier durchs Kinzig-, nicht durchs Neandertal.
Kurz nach dem Telefonat halten wir in Gelnhausen. Ein Mann steigt zu. Der sieht völlig normal aus, stellt vor sich eine Flasche Cola ab. Eine Bierdose zum Feierabend hätte mehr erklärt. Der Zug fährt nicht sofort los.
Darauf fängt der Mann lauthals an zu Schimpfen: „Worauf warten wir denn? Auf besseres Wetter? Das haben wir doch schon.“ Grummel, grummel. „Ich hab auch was Besseres zu tun, als hier im Zug zu sitzen!“ Er telefoniert nicht. Spricht auch nicht, sympathieheischend, die Frau mit dem Spaghetti-Helden zu Hause an, die auf der anderen Seite des Gangs sitzt. Ich sitze gerade so in Hörweite, sonst ist da niemand.
Der Zug fährt los. Die Frau sucht ob des seltsamen Selbstgesprächlers das Weite, obwohl es bis zur nächsten Station noch zwölf Minuten dauert. Ein klasse Tag für Beobachtungen in freier WildBahn.
Bild: Spaghetti Bolognese von Eric Hossinger (CC BY 2.0)